Montag, 9. Januar 2012

Second Hand.

Es war das Jahr unserer Jugend.
Wir lebten nicht, wie es uns unsere Eltern beigebracht hatten, für Ausbildung, Anteilnahme und Zukunftspläne,
sondern für Haarpflege, Handy und Rockmusik.
Der Rock'n'Roll war ein zentrales Thema unserer wirren pubertären Gedanken.
Die engen schwarzen Lederjacken bildeten, während sich die Politik immer mehr in die Krise stürzte, eine
perfekte Koalition mit unseren schwarzen Röhrenjeans und unseren, natürlich, bunten Chucks.
Jeden Tag brezelten wir uns auf, als würden wir gleich ein zweites Woodstock in Brand setzen, selbst wenn wir
nur zum Supermarkt an der Ecke gingen, um unser Flaschenpfand gegen billigen Muskatwein einzutauschen.
Unsere Helden waren schon längst tot und deshalb hörten wir billige Aufgußbands, die den Klang von damals zu imitieren
versuchten. Elvis und Buddy Holly werden heutzutage eben zusammengecastet und im sterilen Tonstudio entjungfert.
Wir quatschten Intellektuell wie Lennon und kannten Lenin gerade mal aus dem Schaukasten.
Wir waren vollgestopft von Zwängen, wir fanden es zum kotzen, dass wir ana oder mia hießen,
aber hauptsache Mäcces servierte keinen Whopper.
Doch als Opfer unserer Zeit hatten wir uns wenigstens eins bewahrt: Unsere Freiheit.
Während Bushido und Karel Gott atonale Mercedeswerbung machten, bereisten wir die Welt mit Bahn, ob S ob U, hauptsache zu spät.
Unser Paradies war eingeklemmt zwischen Blockhochhäusern, denn die Blockhäuser unserer Eltern schienen uns zu kalt und Eden beschmutzt von Jedem.
Und wenn wir keinen Bock mehr hatten, gingen wir eben schaukeln.
Unsere Eltern predigten, sie hätten früher noch gewusst, wie man arbeitet, und deshalb ließen sie uns alleine beim bewältigen unserer Probleme.
DIY war angesagt, und endlich kapierten auch wir, warum unsere älteren Geschwister die Bravo kauften. Doktor Sommer hilft, denn Papier ritzt einfach
unauffälliger als Rasierklingen.
Doch niemand soll uns nachsagen, wir wären nicht interessiert an Deutscher Geschichte und ihrem Vermächtnis.
Die Faschisten schlugen wir, wo wir sie trafen, beim Aldi, beim Lidl und manchmal auch beim Schlecker (wenn sie gerade wieder Rasierer kauften).
Und Opa war schon immer unser liebster Freund, denn: wo Opa, da Geld, wo Geld, da Stoff.
Oh schöne neue Welt, die solche Bürger trägt! Aber bitte ohne Zwiebeln.
Was kümmerten uns die Broken Windows unserer Gegend, wenn die Broken Hearts der TeleKommunikation die Gänseblumenblütenblätter unserer Ahnen ersetzt hatten?
Was kümmerten uns Kohlevorkommen von neben an, solange Vater jeden Monat das Geld überwieß?
Was kümmerten uns Pisa, Pipelines, tote Pelikane im Meer, wenn wir doch mit Kulli schrieben?

Wir waren jung und dynamisch, sympathisch wie Schwämme im Meer und mit den Nerven fertig wie jüdische Clowns.
Rebellen ohne Applaus,
solange Dieter uns nicht suchte.
Wir waren
die Generation Second Hand.

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