Freitag, 3. Februar 2012

Wenn ich mich entscheiden müsste

Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich sagen:

"Es ist doch eigentlich so, dass Schnee schmilzt, wenn die Sonne scheint
und weil Menschen Beides mögen, will ich, dass ewig Nacht ist.
Und als Kinder sind wir glücklich und lachen
und träumen als alte Menschen versonnen davon,
darum mag ich nicht als Mensch geboren sein.
Die Blumen dort, frisch geschnitten aus dem Garten,
bereiten mir jene seltsame Freude, jenes sehnsuchtsvolle Gefühl
nach dem Abfalleimer, denn dort kehren sie irgendwann ein.
Ich weiß, dass der Regen gut ist.
Jeder einzelne Tropfen, auf deiner Haut,
auf den Grashalmen, im Gefieder des Vogels, ja selbst
auf dem dampfenden Asphalt erfüllt seinen Zweck,
bevor er sich letztlich auf seine Reise zum Meer macht
und mich trockenen Auges zurücklässt.

Und jetzt steh ich hier vor dieser Mauer und überlege verzweifelt, ob ich genügend Werkzeug besorgen kann, um einen Tunnel darunter graben zu können oder ob meine Stärke reicht, um darüber hinweg zu steigen -
oder ob ich klug genug bin, einfach zu warten, bis du zu mir rüber kommst.

Wenn ich da an die Geschichte meines eigenen kleinen Landes denke, müsste ich eigentlich mit Transparenten und Wut und Parolen auf die Straßen steigen und mir die Seele aus dem Leibe schreien, ungeachtet der Knüppelschläge, die auf mich niederprasseln.
Und wenn die Revolution dann vorbei ist, würde ich irgendwann aufwachen,
ernüchtert und nackt, in irgendner HinterhofWohnung des wiedervereinigten Berlins
und müsste merken, dass meine Seele brennt und ich es nicht geschafft habe, dass dein Land mich liebt.
Und wenn ich dann aus dem Fenster schauen würde,
wären da keine Schmetterlinge die fliegen würden, im Gegenteil,
nur Tauben wären da, als Mahnung, dass wir nicht hören konnten.

Ich würde begreifen, dass es manchmal besser ist,
wenn Mauern gemeinsam überwunden werden,
Stück für Stück und Stein um Stein.
Denn aus diesen Steinen müssen nicht immer SouvenirArtikel
als Erinnerungen an längst vergangene Zeiten entstehen.
Aus diesen Steinen können auch Straßen entstehen.
Zu dir.
Zu mir."

Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich also sagen:

"Ich warte auf dich. Und lehn meinen Kopf an die Mauer, damit ich deine Stimme hören kann.
Leise, ganz leise. Weit weg - doch näherkommend?"

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